Tore Aleksandersen hat Krebs im Endstadium. Das hindert den Trainer von Allianz MTV Stuttgart aber nicht daran, große Erfolge mit seinen Volleyballerinnen zu feiern – das Porträt eines außergewöhnlichen Menschen.
Die Bilanz von Tore Aleksandersen liest sich wie ein Märchen: Im vergangenen Jahr hat der 54-jährige Norweger die Stuttgarterinnen zur Meisterschaft geführt und den DVV-Pokal gewonnen, im CEV-Cup, dem zweithöchsten europäischen Vereinswettbewerb, erreichte er mit dem Team das Finale. Auch in dieser Saison spielen die MTV-Frauen groß auf, die Titelverteidigung ist das Ziel. Am Samstag starten sie in die Meisterschafts-Playoffs gegen die Roten Raben Vilsbiburg (19 Uhr). Kein Mensch käme auf die Idee, dass der Trainer dieser Mannschaft sterbenskrank ist.
Schockdiagnose Krebs
Vor drei Jahren schien all das tatsächlich undenkbar: "Ganz ehrlich. Ich dachte, dass meine Karriere als internationaler Trainer vorbei ist", blickt Aleksandersen zurück. Der Norweger, der in dieser Zeit als Coach in der Türkei arbeitete und sich topfit fühlte, erhielt eine Schockdiagnose: Prostatakrebs, Krebs in den Lymphknoten im Hüftbereich und Metastasen im Rückenmark. "Es kam ganz plötzlich", sagt Aleksandersen. Daraufhin verließ er die Türkei und kehrte in seine Heimat Norwegen zurück, um sich einer Chemotherapie zu unterziehen.
Hoffnung auf Heilung hat Aleksandersen nicht. "Es ist nicht möglich, gesund zu werden, aber man kann versuchen, die Krankheit so lange wie möglich in den Griff zu kriegen", weiß Aleksandersen. Nach monatelangen Behandlungen mit unzähligen Krankenhaus-Stunden kam es dann zu dem, was der Volleyball-Trainer einen "glücklichen Zufall" nennt. Kim Renkema, die Sportchefin von Allianz MTV Stuttgart, war mitten in der Saison auf der Suche nach einem neuen Trainer und fragte an. Aleksandersen besprach sich mit seiner Familie und seinen Ärzten, die ihm grünes Licht gaben, und machte sich auf den Weg nach Stuttgart.
Jeden Tag mit Freude in der Halle
"Ich wusste natürlich von seiner Krankheit, es war ein Risiko", sagt Renkema und fügt an: "Es hat uns keinen Moment leid getan." Die Sportchefin der Stuttgarterinnen schwärmt von Aleksandersen, der im deutschen Frauen-Volleyball ein großer Name ist. Mit dem Schweriner SC gewann er 2006 und 2011 die deutsche Meisterschaft. "Er fordert sehr viel. Er ist sehr perfektionistisch. Das ist sicherlich der Grund, warum er viel Erfolg hat. Wir haben letztes Jahr beide Titel gewonnen und das geht auch nur, wenn man seiner Mannschaft sehr viel abverlangt. Er kann eine Mannschaft gut führen. Er kann Ruhe bewahren in sehr hektischen Momenten. In großen Finals, wo wir alle unter Druck stehen und auch gestresst sind." Darüber hinaus bewundert Renkema Aleksandersens Umgang mit seiner Krankheit: "Er steht jeden Tag mit Freude in der Halle, er genießt das, was er macht. Das andere sieht man ihm nicht an. Das ist stark."
Die Dinge annehmen, wie sie sind
Zuletzt bremste der Krebs den Erfolgstrainer aus, hinderte ihn daran, seine Spielerinnen von der Seitenlinie aus zu unterstützen. Ob der krebskranke Volleyball-Coach die Mannschaft zum Playoff-Auftakt betreuen kann, ist kurz vor dem Spiel noch offen. Regelmäßig lässt er sich an der Universität Tübingen von Spezialisten untersuchen. Die fanden vor nicht allzu langer Zeit auch noch Darmkrebs bei ihm. "Der Krebs ist wie eine Schlange. Du weißt nie, wie es läuft", sagt der 54-Jährige angesichts der neuen Hiobsbotschaft. Doch trotz allem will er eines auf gar keinen Fall: "Ich möchte nicht, dass die Leute Mitleid haben."
Sein Weg, mit der Krankheit umzugehen, ist im Moment zu leben und nicht zurückzublicken. "Man kann nichts ändern. Man kann sich hinsetzen und traurig sein oder nachdenken, was habe ich falsch gemacht, was hätte ich anders machen sollen. Aber das zählt nicht mehr. Man muss die Dinge annehmen, so wie sie sind, und dann versuchen, das Beste zu tun", erklärt Aleksandersen. Sportchefin Renkema hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, im Gegenteil, sie sprüht vor Optimismus und hat nur einen Wunsch: "Ich hoffe, dass wir eine Behandlung finden, so dass er noch viele Jahre bei uns bleiben kann und wir noch weitere Erfolge feiern."
Author: Joseph Garcia
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